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Das Weihnachtsopfer

Ich begrüße Euch alle ganz herzlich zur Öffnung des 11. Adventfensters in der Friedrich-Engels-Straße. Wir freuen uns sehr, dass so viele den Weg zum westlichsten Fenster unseres l. lebendigen Kieselbacher Adventkalenders gefunden haben.

Unsere Weihnachtsgeschichte heißt:

 

Das Weihnachtsopfer

 

Es war einmal ein junges Ehepaar. Die beiden hießen Anna und Johannes, und sie hatten sich sehr lieb. Aber das Schicksal hatte es bisher nicht sehr gut mit ihnen gemeint, denn sie waren arm.

Außer den wenigen Dingen, die sie für das tägliche Leben benötigten, besaßen sie an diesem 4. Adventsonntag nicht mehr Geld als 3 Taler und 87 Cent. Dieses kleine Guthaben hatten sie mühsam zusammen gespart. Und in drei Tagen war Weihnachten. Anna war dem Verzweifeln nahe, denn sie wollte doch ihrem lieben Johannes unbedingt etwas zu Weihnachten schenken. Sie warf sich auf die Couch und schluchzte. Dabei fiel ihr Blick auf dem großen Spiegel, den Hannes aus Platzmangel - sie hatten nämlich nur 2 kleine möblierte Zimmer - im Wohnzimmer aufgestellt hatte. Anna stand auf und stellte sich vor den Spiegel. In Windeseile löste sie die vielen Klemmen aus ihrem blonden Haar. Lang und weich fiel es ihr über Schultern und Rücken. Die Spitzen der goldenen, glänzenden Pracht berührten fast ihre Knie. Da wusste Anna, was sie tun würde. Einen Moment zögerte sie noch, als sie am Heiligen Abend in der Stadt vor dem großen Friseurladen stand mit dem Schild „An- und Verkauf von Haaren!“

Doch dann überwand sie sich doch und ging hinein.

Um 20 Taler reicher und wie auf rosigen Schwingen schwebend verließ sie nach über zwei Stunden den Friseurladen. Nun durchstöberte Anna die Geschäfte der Einkaufsstraße nach dem Geschenk für Johannes. Endlich fand sie es. Nichts kam ihm in seiner Schönheit gleich, in keinem der Läden.

Es war eine Uhrenkette aus Platin, einfach und geschmackvoll. Sie sollte nun Hannes seine goldene Uhr, die er noch von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte und die er über alles liebte, tragen. Hannes hatte immer ganz verschämt auf seine Uhr geblickt, weil das alte Lederband, welches er an Stelle einer Uhrenkette trug, so schäbig war.

Als Anna nach Hause kam, ging sie zunächst daran, mit Hilfe einer Brennschere aus der Verwüstung, die der Friseur auf ihrem Kopf angerichtet hatte, ein paar Locken zu formen. Dann stellte sie die Bratpfanne mit dem Kotelett für Hannes auf den Herd. Als sie ihren Mann kommen hörte, betete sie leise: Lieber Gott, mach', dass er denkt, ich sei immer noch hübsch und dass ich ihm noch gefalle!

Die Tür öffnete sich und - Hannes blieb wie angewurzelt stehen. Schnell lief Anna zu ihm und versuchte, ihm alles zu erklären. Aber Johannes hörte sie nicht an.  Ich liebe dich nicht weniger als mit langem Haar" sagte er schließlich. Wortlos gab er seiner Anna ein kleines Geschenkpäckchen. Als sie endlich die Schleife geöffnet hatte, rollten ihr ein paar Tränen über die Wangen. Das Päckchen enthielt die hübschen Spangen und Kämmchen, die Anna schon so lange im Schaufenster um die Ecke bewundert hatte. Es waren teure Kämmchen und Spangen - das wusste sie. Schließlich fasste sie sich ein Herz und sagte: „Mein Haar wächst ja so schnell wieder. Ich danke dir, Johannes!“ Und dann sprang sie auf wie eine Katze und holte ihr Geschenk für Hans. Sie hatte noch gar keine Zeit gehabt, es einzupacken, und so reichte sie es ihm in ihrer offenen Hand entgegen. Das wertvolle, glatt glänzende Material der Kette schien ihre heitere Seele widerzuspiegeln.

Johannes setzte sich auf die Couch, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und lächelte.

„Anna,“, sagte er dann, „lass uns beide unsere Weihnachtsgeschenke noch eine Zeit aufbewahren; sie sind viel zu schön, als dass wir sie jetzt schon gebrauchen könnten. Denke dir, ich habe meine Uhr zum Pfandhaus gebracht, um das Geld für die Kämmchen und Spangen für dein schönes langes Haar zu erhalten“.

Trotz allem waren beide sehr glücklich und zufrieden, denn bald würden Anna's Haare wieder gewachsen sein und die schönen Spangen und Kämme würden sie dann schmücken.

Und dann, wenn sie genügend Geld gespart hätten, könnten sie auch Hans seine goldene Taschenuhr aus dem Pfandhaus wieder zurückkaufen.

 

Es wünschen Euch allen eine schöne und ruhige Adventszeit, ein gesegnetes und gesundes Weihnachtsfest und vor allem auch Zufriedenheit und alles Gute für das Jahr 2007

 

Kirsten, Georg

Horst und Lore Mey

 

Bevor wir nun unser Adventfenster öffnen, möchte ich mich ganz herzlich bei Marie Albrecht bedanken, die das wertvolle Puppenpärchen aus ihrer Sammlung zur Gestaltung unseres  Fensters zur Verfügung gestellt hat.

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